Die Schatzsuche (Günther Pistorius) (zum Klappen hier klicken)
Schatzsuche Günther Pistorius In meiner Hochstädter Schulzeit las ich viel über die Märchen und Sagen unserer näheren Heimat. Dabei weckte die Sage von den Schätzen der ehemaligen Burg der Herren von Buchen mein besonderes Interesse. Der Wachenbucher Schulchronik war zu entnehmen, daß ein Bauer, der in der Nähe der Burg Dünger auf seine Wiese aufbrachte, von einem merkwürdigen Erlebnis berichtete. Demnach stiegen seine ansonsten lammfrommen Pferde erschrocken in die Höhe, als aus dem Boden plötzlich ein lautes Klirren zu hören war, als würden preußische Taler aus einer Kiste auf einen Tisch geschüttet. Ein Jahr später wurden auf der gleichen Wiese während des Heuwendens Geräusche vernommen, als ob im Boden Steine polternd durcheinander fielen. Viele Jahre später erzählte eine alte Wachenbucherin dem Bauern, daß sich die Schätze der Herren von Buchen noch immer in unterirdischen Gewölben befänden und wenn er sich die Stelle gemerkt hätte, wäre ihm der Schatz sicher gewesen. Dieser Bericht weckte meine Abenteuerlust. Gemeinsam mit meinem Freund Gerhard machten wir uns auf, dem Rätsel auf die Spur zu kommen. Das erste Abenteuer war schon der Weg zu dem kleinen Wäldchen, in dem die Reste der Burg der Herren von Buchen versteckt liegen. Denn in damaliger Zeit endeten Ausflüge in die Nachbargemarkungen nicht selten mit einer Tracht Prügel seitens der Dorfjugend für die "Eindringlinge". Ausgerüstet mit zwei kleinen Schaufeln machten wir uns unverzüglich an die Arbeit. Nach etwa zwei Stunden war es uns immerhin gelungen, einen kleinen Mauerrest freizulegen. Nach diesem Erfolgserlebnis reifte allmählich die Erkenntnis, daß es uns auf diese Weise wohl nie gelingen werde, den Schatz der Herren von Buchen zu heben. Das wird wohl späteren Generationen vorbehalten bleiben. Heute jedoch weiß ich: Die wahren Schätze ruhen in uns selbst - es sind unsere Erinnerungen.
Meine Oma, die Gänse und ich (Ingrid Stumpf) (zum Klappen hier klicken)
Mit Oma Marie musste ich zu ihrer Freundin "Ine Itt" (Wilhelmine Schmidt) gehen, wenn ein Schwein sein tauriges Ende erwartete weil es geschlachtet werden sollte. Schon der Weg zu dorthin war allerdings nicht ohne Gefahr für uns. Gleich einemTrauermarsch bewegten wir uns langsam von der Ringstraße in Richtung Hauptstraße. Das arme Schwein ging uns nicht aus dem Kopf und mir schwante, dass ich wieder in Einzelhaft in einem kleinen Raum würde verbringen müssen. Mein Weinen und Jammern würde sich wieder mit den Angstschreien des armen Tieres mischen. Für die Erwachsenen gab es deshalb nur eine Möglichkeit, trotzdem ihr blutiges Handwerk ungestört zu vollenden: wegsperren! Sie hatten Bedenken, dass ich sie mit meiner Trauer anstecken würde, ganz sicher! Oma und ich hatten jedenfalls wie immer kein gutes Gefühl bei dieser Sache!Aus unseren beklemmenden Gedanken holte uns jäh ein lautes Gekreische: ein wütender Ganter rannte uns drohend und mit weit aufgerissenem Schnabel entgegen. Mit diesem zur Waffe mutierten Schnabel war er besessen davon, nach Omas Bein zu schnappen. Er war so in seine kriegerischen Handlungen vertieft, dass er völlig übersah, dass Oma auch eine Verteidigungsmöglichkeit hatte: ihren Regenschirm! Diesen benutzte sie als Gehstock, um auf dem holprigen Pflaster der Straßen nicht ins Straucheln zu geraten.
Mutig und zu allem entschlossen schwang Oma ihren Schirm wie einen Degen gegen den Angreifer. Der aufgeregte Ganter war wohl überzeugt, dass er auch dieses Mal den Kampf verloren hatte. Er verließ beeindruckt aber äußerst missmutig den Ort des Konfliktes. Der nächste Angriff müsste besser geplant werden - ganz bestimmt, dies dachte er im Moment des Scheiterns. Ob er sich insgeheim mit der Seele des Schweins verbündet hatte um dessen bitteres Ende zu rächen, darüber kann man nur spekulieren...
November - Ingrid Stumpf, Inge Mankel (zum Klappen hier klicken)
Novembernebel - Ingrid Stumpf Wenn im Herbst die Kälte der Nacht das warme Wasser des Mains zu dichten Nebeln verwandelte, begannen wundersame Geschichten die Bewohner der umliegenden Dörfer zu bewegen. An eine Erzählung kann ich mich sehr gut erinnern: Die "Maakuh" und die Loreley in der Hartig Die Nebel auf dem Main waren zäh und undurchdringlich. Für die Schiffer auf ihrer Reise war es deshalb sehr schwer, nicht an den Windungen des Ufers hängen zu bleiben. Das Lotsenschiff hatte deshalb immer eine Kuh, die "Maakuh", als Helferin: sie schwamm vor dem Lotsenschiff und "muhte", sobald sie ein Schiff aus dem Nebel auftauchen sah. Dann konnte der Lotse das entgegenkommende Schiff sicher durch die Fluten geleiten. Das "Muhen" der "Maakuh" war ja auch zu hören, es gab für uns Kinder keinerlei Zweifel an der Echtheit dieser Geschichten. Außerdem lauerte in der Hartig eine "Maa-Loreley", die gerade während Nebeltagen die Schiffer mit leuchten Haaren "neben die Spur" brachte. Auch in diesen Fällen kam die "Maakuh" zum Einsatz. Der November bot aber noch andere Überraschungen: Die "Kielgeister" Wenn auf den Feldern die "Kiel" (Rüben) geerntet wurden, war auf die Zeit der Husten und Schnupfennasen. Da in früheren Zeiten Hustensäfte und Schnupfenmittel der heutigen Art nicht ins Repertoire einer Hausapotheke gehörten, nutzte man das Angebot der Natur um die schlimmsten Auswirkungen erträglich zu gestalten. Neben Bettruhe und Fieber senkenden Wadenwickeln - eine unangenehme, weil kalte und nasse Tortur - wurden "Kiel" ausgehöhlt, mit braunem, zerstoßenem Kandiszucker gefüllt und mit dem Kieldeckel verschlossen. Während der weniger angenehmen Behandlungsdauer wurde aus dem Gemisch im Kiel ein zuckersüßer Saft, der außer dem Husten auch die angegriffene Seele beruhigte. War der Saft aufgebraucht, kam eine weitere Seite des Kiels zum Einsatz: Er bekam mittels scharfer "Kneipchen" (spitze kleine Messer - Kartoffelmesser) ein lachendes Gesicht geschnitzt. In das Innere des Kiels kam eine Kerze und am Abend stellte man den Kiel mit der brennenden Kerze ins Fenster. Wenn die Nacht und der Nebel den bösen Geistern Einlass in die Häuser gewährten, bewahrten die Kielgeister die Bewohner vor ihren Untaten. Denn böse Geister mögen keine lachenden und freundlichen Gesichter - sie suchten beim Anblick der netten leuchtenden Kielgeister-Gesichter sofort das Weite! Eine andere Version dieser Kielgeister hat Inge Mankel zu Verfügung gestellt, die "Rübengeister" Rübengeister Das Rübengeistern ist in manchen Regionen und Gegenden ein traditioneller Brauch. Im Herbst besorgen sich Kinder, Familien, Vereine, der Kindergarten oder die Schule vom Bauern Rüben. Diese werden ausgehöhlt und es werden gruselige Gesichter und Fratzen hineingeschnitzt. Danach kommt eine Kerze in die Rübenlampe, damit das Gesicht des Rübengeistes in der Dunkelheit schön leuchtet. Die Kinder überlegen sich einen schönen Vers fürs Rübengeistern z.B. “Wir sind die Rübengeister, es schickt uns unser Meister. Ach, gebt uns was zu Naschen für unsre Hosentaschen.” Nun ziehen die Kinder, wenn es abends früh dunkel wird, in der Nachbarschaft von Haus zu Haus, stellen ihre Rübengeister vor die Haustür, klingeln und verstecken sich blitzschnell. Wird die Haustür geöffnet, sagen sie ihren Rübengeister-Vers auf. Dann kommen sie aus ihrem Versteck. Ihre netten Nachbarn schenken ihnen nach dem Brauch des Rübengeisterns daraufhin etwas Süßes oder ein wenig Kleingeld. Dieser alte Brauch macht den Kindern auch heute noch viel Spaß. Leider ist es oft schwierig, Rüben zu bekommen, daher werden mittlerweile auch Kürbisse zu Kürbisgeistern verwandelt und für das Rübengeistern genutzt. In manchen Gemeinden werden sogar Rübengeister-Schnitzaktionen angeboten, die in ein kleines Fest eingebettet sind oder bei denen auch ein Rübengeisterumzug veranstaltet wird. Auf jeden Fall bringt der Rübengeist eine Menge Vergnügen und kann zudem abends daheim vor der Haustür als Rübenlampe mit leuchtendem Rübengesicht in die dunklen Herbstabende strahlen.
Ostern in Hochstadt (zum Klappen hier klicken)
Lob von Hochstadt - Gedicht Rauch, gefunden von Günther Pistorius (zum Klappen hier klicken)
Hochstadt läßt mich auch hier in der norddeutschen Tiefebene nicht los. Gerade habe ich beim Stöbern in meinen
Unterlagen eine Hymne auf unseren Heimatort wiedergefunden:
"Hochstadt sei mir laut gepriesen,
wo die edlen Quellen fließen,
wo die Krone mild regiert;
Lieblingsstätte auserkor`ne,
wo der Äppelwoigeschworne
seine Gurgel regaliert.
Freundlich liegst Du zum Entzücken,
waldbekränzt am Bergesrücken,
bunt geschmückt vom Wiesenhain
und auf blumenreichen Wegen
zieht man durch der Felder Segen
froh in Deine Mauern ein.
Köstlich labst Du Deine Gäste,
bietest ihnen stets das Beste,
was die Landwirtschaft erzeugt.
Eier, Käse,Butter Schinken,
ach- was kann man dabei trinken -
trinken, bis kein Stern mehr leucht`
Darum nochmals sei gepriesen,
laßt auch ferner uns genießen,
was wir stets so gern gekneipt
und ein Bembel nach dem andern,
muß dann in die Runde wandern,
bis kein Tropfen übrig bleibt!
Als Texter dieser Verse gilt der 1922 verstorbene Gast- und Landwirt Wilhelm Rauch.
Lob von Hochstadt (Fortsetzung) Rauch - gefunden von I. Mankel (zum Klappen hier klicken)
Das Lob von Hochstadt Als Texter dieses Liedes gilt der 1922 im Alter von 49 Jahren verstorbene Gast- und Landwirt Wilhelm Rauch, mein Vater. Das Wort „regaliert" wurde vermutlich von Hanauer Gästen hugenottischer Abstammung gebraucht. Es ist wohl das verunstaltete französische Verb „egaliser" (glätten, ebnen). Es gab ja viele scherzhafte Bezeichnungen fürs Trinken, z.B. gurgeln, bischeln, zuggeln und hinter die Binde gießen. Das Lied wurde um 1900 nach der Melodie „Prinz Eugen, der edle Ritter" oft bei feuchtfröhlicher Stimmung gesungen (siehe https://www.youtube.com/watch?v=GuPJMKDTfAI).
Eine verunglückte Minnefahrt, Rauch - gefunden von Inge Mankel (zum Klappen hier klicken)
Eine Frau zieht mehr als vier Pferde Bis nach Hochstadt verlief die Fahrt zufriedenstellend, dann ging es über die verlängerte, heutige Weinbergstraße über die Höhe bis zum Hohen Rain, wie dieser Gemarkungsteil heißt, den Berg hinunter ins Tal, das wir die Waid (Waad) nennen. Mit großer Anstrengung hatten die Pferde die zurückgelegte Strecke bewältigt, aber vor der Steigung zur großen Lohe (die Bischofsheimer nennen sie Buchwald) streikten die Tiere. Alle Bemühungen, die Fahrt fortzusetzen, waren vergeblich. Der Landgraf stieg aus, ließ die Kutsche umkehren und schickte das Gespann nach hause. Er selbst stapfte mit seinen langen Reitstiefeln zu Fuß nach Gronau. Der Fahrer machte in Hochstadt in einem Gasthaus Halt und trank einige Gläser Hochstädter Wein. Mit ein paar anwesenden heimischen Gästen kam es zu einer Unterhaltung, in deren Verlauf er den denkwürdigen Ausspruch tat: „Es ist kaum zu glauben, es ist aber wahr. Eine Frau zieht mehr als vier Pferde." Der letzte Teil wurde zum geflügelten Wort und war jedem Hochstädter bekannt. Er sprach natürlich in seiner heimischen Mundart, denn er war ein waschechter Kesselstädter. Unser Dialekt mit seinen vielen Nasallauten, die uns den Spitznamen „Maafranzose" eingebracht haben, ist schriftlich schwer wiederzugeben. Weinselig setzte der landgräfliche Rosslenker seine Heimfahrt fort, nicht ohne vorher noch zu sagen: „Wann ich’n abhole du, foar ich oawwer iwwer Beschem." Er brauchte nicht zu befürchten, unterwegs von einem Gendarmen angehalten zu werden, denn eine Promilleverordnung gab es damals noch nicht. Außerdem ist es bekannt, dass Pferde den Weg zu ihrem Stall von alleine finden. In meiner Jugend konnte man von einigen Stellen des Hartigbuckels aus noch Teilstücke der Schneise erkennen. Die später nachgepflanzten Bäume waren im Wachstum zurückgeblieben. Um noch einmal auf die Hohe Straße zurückzukommen, sie war und ist nur ein Feldweg. Auf ihm sind die römischen Legionen marschiert und auf ihm rollten die Wagen hinein in Germanenland und wieder zurück. Der Weg führt am Südrand der Großen Lohe entlang über ein Stück freies Feld, quer durch die Kleine Lohe. Noch vor dem Ersten Weltkrieg standen in diesem Waldstück am südlichen Straßenrand verstreut einige römische Gedenksteine, worauf einige lateinische Worte und Bezeichnungen von Legionen und Kohorten eingemeißelt waren. Heute sind diese Zeugen des Altertums nicht mehr vorhanden. Es wäre schön u erfahren, wo sie geblieben sind. Die beiden erwähnten Wälder gehören
Pferdegeschichten, Rauch - gefunden von Inge Mankel (zum Klappen hier klicken)
Pferdegeschichten aus unserer Heimat Unter unserem Pferdebestand war ein dunkelbrauner Wallach von hervorragender Körperform und mit viel Temperament. Ich hatte ihn besonders gern, aber auch meine Mutter mochte ihn sehr. Wir nannten ihn Pascha. Er musste wie jedes andere Pferd und der Landwirtschaft arbeiten, war aber auch ein gutes Reitpferd. Wenn er aus dem Stall zur Arbeit geführt wurde, reichte ihm meine Mutter aus dem Küchenfenster jedes Mal einen Würfelzucker. Das ging eine Zeitlang gut, dann aber hatte sich Pascha seine eigene Meinung gebildet, er verlangte zuerst sein Zuckerle und ließ sich vorher nicht mehr anschirren. Wenn er von der Futterkrippe losgebunden war, sprang er mit einem gewaltigen Satz in den Hof und baute sich wie ein Standbild regungslos vor der Küche auf. Hatte er seinen süßen Obolus intus, drehte er sich um und ließ sich bereitwilligst das Kummet überwerfen. Pascha und ich hatten manchen wundervollen ´Trip durch Feld und Wald hinter uns gebracht. Als 1914 der Krieg ausbrach, wurde er als Offizierspferd eingezogen. Inzwischen ist ein sehr alter Mann aus mir geworden, aber die Liebe zu den Pferden blieb. Ich arbeite bis jetzt immer noch ein wenig im Garten, mein Weg dorthin führt an einem Reiterhof vorbei und es bereitet mir eine große Freude, wenn ich sehe, wie Schülerinnen, junge und reifere Damen ohne Hemmungen ihre Vierbeiner pflegen. Eines Tages tauchte zur Bereicherung des Bestandes noch ein Klassepferd auf, es wurde von einer attraktiven Frau geritten. 83 Lenze, so alt war ich damals, waren kein Hinderungsgrund eine Frau schön zu finden und sie zu bewundern. Reiterin, Pferd und ich wurden mit der Zeit ein wenig vertraut. Es kam zu kurzen Unterhaltungen, wobei ich das Pferd durch Streicheln und Abklopfen belohnte, was ihm offensichtlich gefiel. Ich fütterte es regelmäßig mit etwas Zucker. Das Tier empfand nach einiger Zeit, das alles müsse so sein und wenn es mich im Garten erblickte, war es nicht mehr am Tor vorbeizubringen. Der Reiterin fehlte scheinbar die Kraft, vielleicht war sie auch noch nicht so sattelfest genug, das Pferd weiterzutreiben. Was blieb mir anderes übrig, als meine Arbeit zu unterbrechen. Ich ging hinaus, spendete das Stück Zucker und ab ging die Post. Eines Tages tauchten Ross und Reiterin nicht mehr auf. Ich erfuhr, dass das Tier von einer ansteckenden Pferdekrankheit befallen wurde und aus dem Verkehr gezogen werden musste, um fortan sein Leben auf einer einsamen Koppel zu verbringen. Zwei Grundstücke von unserem Garten entfernt grasten einige Jahre lang zwei Ponystuten, die hatten es besonders gut. Sie brauchten nicht zu arbeiten und konnten je nach Belieben herumtollen, oder sich auf dem Rasen wälzen. Auch sie hatte ich verwöhnt. Wenn ich am späten Nachmittag nach Hause ging, spendierte ich ihnen schmackhafte Gartenabfälle und ab und zu auch etwas Süßes. Wenn ich aber manchmal länger blieb, rief mich die beiden Schlauköpfe zur Ordnung, indem sie aufgeregt an der Einfriedung hin und her trabten und durch lautes Wiehern ihren Unmut kundtaten. Ich war ihnen bereits hörig geworden und beeilte mich zu ihnen zu kommen. Es gab früher Pferde mit schlimmen Untugenden. Da waren einige, die bissen ihre Artgenossen und die Menschen, wobei sie selbst ihre Betreuer nicht verschonten und ihnen erhebliche Verletzungen beibrachten. Dann gab es welche, die schlugen mit ihren Hinterbeinen aus, das waren die Gefährlichsten und mancher Pferdehalter ist an ihren Schlägen gestorben. Die Bauern bezeichneten so einen Teufel als „Massik". Heute gibt es nur noch ganz selten so ein Tier. Durch strenge Zuchtwahl über Stuten und Hengste sind diese Mängel fast vollständig weggezüchtet. Die Pferde sind „fromm" geworden, wie man so sagt. Es gab auch noch Pferde, die übernervös und ängstlich waren, das waren die sogenannten „Durchbrenner". Der Landwirt Peter Stein, dessen Hof dort stand, wo heute der HL-Markt seine Geschäfte betreibt, besaß ein solches Gespann. Eines Morgens, ich war etwa sechs Jahre alt, schaute ich mit meinem jüngsten Bruder zum Fenster hinaus, da brauste es mit einer Fuhre Mist die Hauptstraße herauf. Der Wagen blieb an der gegenüberliegenden Freitreppe des Gasthauses „Zum Tiger" hängen und beschädigte sie erheblich. Bei dem Aufprall brachen die Deichselarme ab und die Pferde galoppierten ohne Wagen davon. Mein Bruder war bei dem Anblick so geschockt, dass er noch Monate danach bei Pferdegetrappel die Ohren zuhielt und sich in eine Ecke verkroch. Dasselbe Gespann hat einige Jahre später seinem Besitzer den Tod gebracht. In Dörnigheim wurde ein Kahn entladen. Der Peter wollte sich etwas Geld verdienen und beteiligte sich an der Abfuhr. Da brüllte plötzlich die Maakuh auf, so nannte man den Kettendampfer, der den Treidelverkehr mit Pferden abgelöst hatte und der die Kähne flussaufwärts schleppte. Peters Pferde scheuten und galoppierten davon. Beim Versuch sie aufzuhalten, brach er sich einige Rippen, von denen eine in die Lunge eindrang. Auf dem Transport in ein Hanauer Krankenhaus ist er gestorben. In einer Sackgasse, die heute zur Trinkbrunnenstraße gehört, wohnte und arbeitete der Schmiedemeister Krebs. Er hatte einen Gesellen, der hieß Wenzel Prey. Amtlich wurde er als staatenlos geführt, er war aber ein Tscheche. Wie die meisten seiner Landsleute hasste er die Habsburger und die Österreicher- als er einen Gestellungsbefehl zum Militär bekam, rückte er nicht ein, sondern ab Richtung Deutschland. In Hochstadt blieb er hängen, blieb Junggeselle und integrierte in die Familie Krebs. Wenn beim Frühschoppen, zu dem er täglich erschien, Geschäftliches besprochen wurde, sprach er immer nur von seiner Schmiede. Als Beschlagschmied bekam er es mit einem Massik zu tun, der ihn schon etliche Male gebissen hatte. Als sich das Pferd wieder einmal von seiner schlechtesten Seite zeigte, kam Wenzel mit einemheißen Hufeisen aus der Schmiede und als es in böser Absicht mit seinem Kopf herumfuhr, hielt er es ihm blitzschnell hin. Der Gaul biss zu …und hat in seinem ganzen Leben keinen Versuch mehr unternommen, einen Artgenossen oder einen Menschen zu beißen. an Sonn- und Feiertagen arbeitete ich mit Wenzel zusammen. Ich hinter der Saaltheke, Wenzel als Kellner. Er war bei den Gästen sehr beliebt und niemand störte sich an seinen schwarzen, verarbeiteten Händen. Eines Tages sagte ein Gast zu ihm: „Wenzel, ich hab‘ gehört, du seist ein so starker Mann." Darauf Wenzel: „So stark bin i a net, awwer es bissl Kraft hoab i scho." Er schnappte einen Stuhl, auf dem ein halbwüchsiger junger Mann saß, hob beide hoch und stellte sie auf einen Tisch. Wenzel überlebte seinen Meister und führte das Geschäft noch einige Zeit fort. Er starb in Hochstadt und wurde hier begraben. Ich rechnete es den Nachkommen des Kutscherschmiedes, so nannte man ihn hier, hoch an, dass sie sein Grab bis zum Ablauf der Ruhezeit gebührend, wenn nicht gar liebevoll gepflegt haben. Es ist wohl angebracht, über Wenzel Prey, den Wahl-Hochstädter, einige Worte zu verlieren, um ihn nicht ganz der Vergessenheit anheim fallen zu lassen.
Altestes Haus von Hochstadt - Rauch, gefunden von I. Mankel (zum Klappen hier klicken)
.
...als in Bischofsheim der Kirchturm brannte, K. Wörner - gef. von I. Mankel - (zum Klappen hier klicken)
Hochstädter Kerb um die Jahrhundertwende, Wilh. Rauch - gef. von G. Pistorius (zum Klappen hier klicken)
Zeitungsbericht von 1983 - zur Verfügung gestellt von Günther Pistorius Auch nach dem Krieg war die Kerb noch ein "großer Tag" für Jung und Alt. (Foto: Ingrid und Ria Stumpf 1949)
Klimawechsel - Wilhelm Rauch, I. Mankel/G. Pistorius (zum Klappen hier klicken)
|